Newsmüde?
Schon lange lese ich nicht mehr jeden Morgen als erstes die Nachrichten. Stattdessen konsumiere ich achtsam Medien und lese lieber Hintergrundberichte, statt Schlagzeilen.
Ich informiere mich, versuche aber auch, mich von dem täglichen Wahnsinn nicht runterziehen zu lassen. Damit bin ich nicht allein. Immer mehr Menschen sagen, dass sie Nachrichten meiden, weil sie ihnen zu destruktiv und negativ sind.
Dabei ist es so wichtig, informiert zu sein! Was manchmal beim News-Konsum untergeht: Für viele gesellschaftliche Herausforderungen gibt es auch schon Lösungsansätze, Handlungstipps und Best Practice-Beispiele.Diese stelle ich euch mit meiner Kollegin Alina Jensen in unserem neuen Podcast „Und jetzt?“ vor. Die erste Staffel hat 5 Folgen und beschäftigt sich mit dem Thema „Klima und Ernährung“. Es geht zum Beispiel um klimafreundliche Ernährung, nachhaltige Fischerei oder eine Lagune, die eigene Rechte bekommen hat.
Hört gerne rein, hier findet ihr die unterschiedlichen Möglichkeiten: https://linktr.ee/perspektiven_podcast (Spotify, Deezer, Amazon Music, Apple etc.) Bei Deezer z.B. und auch bei Spotify müsst ihr euch nicht anmelden und keine App runterladen, um den Podcast zu hören.
Und folgt uns auch gerne auf Instagram: https://www.instagram.com/perspektiven_podcast
Wir freuen uns sehr über euer Feedback zum Podcast, dazu schreib ihr einfach eine Mail an: kontakt@perspektiven-podcast.de
Journalistinnen-Leben
Manchmal fühlt sich mein Job-Alltag für mich immer noch sehr unwirklich an. Vor einigen Jahren habe ich mich entschieden, mich auf den Journalismus zu konzentrieren. Das ist für eine Scannerin wirklich nicht leicht ist und ganz habe ich es auch nicht durchgehalten. Ein bisschen Projektmanagement ist immer noch dabei: Für einen Nachbarschaftsraum organisiere ich Angebote für ukrainische Familien.
Ich liebe es, als Journalistin so viele unterschiedliche Themen behandeln zu können. Das macht mich wirklich dankbar und ich muss mich immer noch manchmal zwicken und fragen: Echt, damit darf ich mich jetzt alles beschäftigen? Sind es viele Themen gleichzeitig, kann es emotional aber auch herausfordernd werden, so wie gestern. Da habe ich einen eher persönlicheren Artikel abgeschlossen, der sich damit beschäftigt, wie Eltern ihren Kindern den Übergang von der Kita in die Schule erleichtern können. Für eine halbe Stunde war ich im Kopf eines Klinikleiters, dessen Einrichtung sich um alkoholkranke Frauen kümmert und hab mit ihm über Suchtprobleme bei Frauen geredet. Dann musste ich mich schnell was zu Fischkot recherchieren. Der hilft nämlich dabei, CO2 aus der Atmosphäre am Meeresboden zu binden. Ein Kollege hatte dazu noch eine Nachfrage gehabt, bevor der Artikel veröffentlicht werden konnte. Schließlich habe ich darüber nachgedacht, warum immer weniger junge Leute einen Handwerksberuf ergreifen und was es mit dem “Akademisierungswahn” in Deutschland auf sich hat. Dazu habe ich Fragen formuliert und sie einem potenziellen Interviewpartner geschickt.
Abends habe ich noch mit einer tollen Frau telefoniert, die ich gerne als Voice-Over Stimme für eine Podcast-Folge gewinnen möchte. Thema: Persönlichkeitsrechte von Ökosystemen. Ihr seht, gestern war alles dabei: Menschen, Tiere, Sensationen. Willkommen in meinem ganz persönlichen Zirkus.
Mut zur Lücke
Vom Märchen der Chancengleichheit
Das passiert, wenn du eine große Behörde zum Thema Diversity im Bewerbungsprozess befragst und die Antworten der Befragten vorher nochmal eine Runde durch die Pressestelle drehen.
Ich schrieb letztens an einem Artikel zu der Frage, inwieweit die soziale Herkunft im Job eine Rolle spielt. Denn das tut sie leider! 59% der befragten Führungskräfte und Personalverantwortlichen gaben bei der Studie Diversity Trends von 2020 an, Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft im Arbeitsleben beobachtet oder erfahren zu haben.
Eine andere Studie fand heraus, dass Bewerber*innen mit elitären Hobbys wie Segeln oder Polo viel öfter zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurden, als Bewerber*innen mit Hobbys wie Fußballspielen oder Countrymusik. Der richtige „Stallgeruch“ spielt trotz objektiver Kriterien im Bewerbungsprozess immer noch eine Rolle.
Was sagen Behörden zum Thema Diversity?
Nun wollte ich wissen, wie das Thema bei einer großen deutschen Behörde angegangen wird. Denn die haben doch bestimmt Erfahrung und können uns daran teilhaben lassen? Welche Fehler haben sie in der Vergangenheit gemacht, aus denen wir lernen können und wie stellen sie eine möglichst objektive Auswahl der Bewerber*innen sicher? Die Antworten, die ich erhielt, waren so formell und gleichzeitig nichtssagend, dass es mich ganz schön wütend gemacht hat. Ich fasse sie hier für euch (stark verkürzt) zusammen:____________________________________________
Wie stellen Sie sicher, dass in Ihrem Arbeitsbereich die soziale Herkunft beim Bewerbungsprozess keine Rolle spielt?
Behörde: Jede Bewerbung bei uns wird nach objektiven Kriterien beurteilt. Die soziale Herkunft spielt somit im Bewerbungsprozess bei uns keine Rolle. Außerdem fragen wir die soziale Herkunft gar nicht ab. Sie ist also von keinerlei Bedeutung im Auswahlverfahren.Ist dieser Anspruch leicht in die Praxis umzusetzen?
Behörde: Bei der Auswahl dürfen grundsätzlich weder Geschlecht, Abstammung, ethnische Herkunft, Behinderung, Religion, politische Anschauungen, Herkunft noch Beziehungen oder sexuelle Identität als Kriterien für die Entscheidung herangezogen werdenKönnen Sie (erste) Erfolge sehen?
Behörde: Diese Frage impliziert, dass wir notwendige Veränderungen hätten umsetzen müssen. Das war aber nicht nötig.____________________________________________
Wenn du jetzt das Gefühl hast, du hast mehr Fragen als vorher, bist du bestimmt nicht allein!
Für echte Antworten zur praktischen Umsetzung und wertvolle Infos zum Thema soziale Herkunft als Vielfaltsdimension, empfehle ich euch die Seite des Charta der Vielfalt e.V., die sich das Thema auf die Fahne geschrieben haben.Wie hilfreich ist Bildungsfernsehen, Maya Götz?
ARD und ZDF haben ihr Angebot für Schülerinnen und Schüler aufgrund des aktuellen Schul-Lockdowns erweitert. Vor zwei Wochen habe ich schon in einem Beitrag meine Sicht der Dinge dazu geschildert. Wie hilfreich sind die Angebote im Fernsehprogramm und in den Mediatheken wirklich? Das habe ich Maya Götz gefragt.
Die Medienwissenchaftlerin Maya Götz. (Von IZI TelevIZIon – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0) Die Medienwissenschaftlerin ist Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen beim Bayerischen Rundfunk und hat mit mir ihre spannenden Einsichten in die Mediennutzung von Angeboten der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender geteilt.
Für welche Kinder und Jugendliche ist das erweiterte Angebot der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender während des Lockdowns sinnvoll?
Maya Götz: Im Prinzip ist es erstmal für alle sinnvoll. Vom linearen Angebot profitieren zum einen die Grundschüler*innen und Lernenden der Sekundarstufe I. Hier sind Wissenssendungen gut eingeführt und die Kinder und Preteens kennen die Formate und Moderator*innen und wissen, dass es Spaß macht, mit Checker Tobi oder André zu lernen. Insofern ist es ein sehr sinnvolles Angebot. Denn wir dürfen nicht vergessen: Auch im zweiten Lockdown können viele Schulen gerade bei den Jüngeren im Rahmen des Distanzlernens nicht genügend Angebote auf die Beine stellen, die den ganzen Vormittag ausfüllen. Im ersten Lockdown ging – auf alle Schüler*innen bezogen – die täglich mit schulischem Lernen verbrachte Zeit um fast vier Stunden zurück. Insofern geht es bei der Bereitstellung des erweiterten Programms auch um sinnvolle altersangemessene Angebote am Vormittag, die nicht nur unterhaltungsorientiert sind.Bei den Älteren, und wenn es um konkrete Fragen geht, wird es schon kniffeliger. Denn für den konkreten Unterricht sind die Angebote dann sinnvoll, wenn sie den ganz konkreten Lernstoff betreffen.
Unterrichtsinhalte unterscheiden sich aber sehr deutlich nach Klassen und Schularten. Insofern ist es gut, wenn alles möglichst übersichtlich in Mediatheken angeboten wird und gut über Suchmaschinen auffindbar ist. Hier sind die Wissensinfluencer*innen und kommerziellen Anbieter den öffentlich-rechtlichen Anbietern in Sachen Suchmaschinenoptimierung zurzeit etwas voraus, sodass deren Angebote schneller gefunden werden.
Gibt es tatsächlich Kinder oder Jugendliche in Deutschland, die von einem erweiterten linearen Schulfernsehen profitieren?
Die Nutzungszahlen sprechen dafür, dass sie genutzt werden. Gründe hierfür können ein fehlender bzw. zu langsamer Internetzugang oder das Fehlen eines Computers oder Tablets sein, insbesondere wenn mehrere schulpflichtige Kinder im Haushalt leben und zudem im Homeoffice gearbeitet wird. Gerade für Kinder und Preteens ist das erweiterte Angebot eine Form der Mediennutzung, die auch von Eltern gefördert wird.Welche Voraussetzungen braucht es, damit sie auch wirklich etwas lernen? Sich nur “berieseln” lassen ist sicherlich nicht so effizient, schätze ich?
Zunächst braucht es die Motivation, etwas lernen zu wollen. Die kann extrinsisch sein, weil die Lehrkraft den Auftrag gegeben hat, sich diesen Stoff anzueignen, oder auch intrinsisch, weil es die Heranwachsenden einfach inhaltlich interessiert. Das Entscheidende ist dann ein gut gemachtes Angebot, das am Wissen und an den Lernvoraussetzungen der Schüler*innen ansetzt, sie da abholt, wo sie gerade stehen, und den zu vermittelnden Stoff gut recherchiert und methodisch pfiffig aufbereitet.Suchen Kinder oder Jugendliche mithilfe der öffentlich-rechtlichen Mediatheken denn gezielt nach Inhalten für die Schule, um dann mit diesen Angeboten lernen?
Auch hier zeigen die Nutzungszahlen, dass sie genutzt werden. Leider liegen bisher keine Studien vor, wer genau welche Inhalte nutzt. Insgesamt ist es aber noch zu wenig etabliert, dass Schulen in verschiedensten Bereichen die Mediatheken gezielt für ihren Unterricht nutzen.Checker Tobi auf YouTube (Screenshot: Sarah Kröger) Was uns in unseren Studien immer wieder begegnet, ist, dass wenn Kinder und Jugendliche eine schulisch angeregte Frage zu einem Thema haben, sie über YouTube Antworten suchen oder „googeln“. Diese Formate werden dann aber über YouTube genutzt. Viel genutzt werden hier dann die Sendungen, die themenspezifisch sind, wie etwa „Anna und die Tiere“ oder das schon erwähnte „Checker“-Format.
so geht MEDIEN, die Medienkompetenzplattform von ARD, ZDF und Deutschlandradio wird zudem von Lehrkräften gezielt eingesetzt, wenn es um Themen wie Fake News, Influencer*innen oder Musikvideos geht. Hinzu kommen Plattformen, die gezielt für Lehrkräfte und Schüler*innen eingerichtet wurden, wie z. B. in Bayern das Internetportal des Kultusministeriums „Mebis“, worüber verschiedene Sendungen direkt abrufbar sind. Es geht also nicht nur um Mediatheken, sondern darum, dass öffentlich-rechtlich finanzierte Angebote den Heranwachsenden auf möglichst vielen Wegen zur Verfügung stehen.
Welche Rolle spielen die Schulen bei der Nutzung der Angebote?
Deutschland war, und insbesondere die Lehrer*innen waren bisher sehr medienkritisch, wenn es sich nicht um das Medium Buch handelte.In Sachen Digitalisierung hängen wir im internationalen Vergleich deutlich hinterher, selbst im Vergleich mit den deutschsprachigen Ländern Österreich und Schweiz sind wir alles andere als gut auf ein Lernen in der Digitalität vorbereitet.
Die technische Ausstattung an Schulen ist oft mangelhaft und viele Lehrer*innen haben Nachholbedarf in Sachen Medienkompetenz. Eine „Schulfernsehkultur“, wie wir sie z. B. in den nordischen Ländern haben, wo neben Schulfernsehangeboten regelmäßig gemeinsam Kindernachrichten im Unterricht geschaut werden, scheitert bei uns an der Ausstattung und nicht selten auch an der Haltung der Lehrer*innen. Insofern wird unter Bildungswissenschaftler*innen die aktuelle Krise auch als Jahrhundertchance diskutiert, dass Lehrkräfte neue Wege beschreiten und sich mehr Medienkompetenz aneignen.
Foto Maya Götz: Von IZI TelevIZIon – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=77963509