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Wie hilfreich ist Bildungsfernsehen, Maya Götz?

ARD und ZDF haben ihr Angebot für Schülerinnen und Schüler aufgrund des aktuellen Schul-Lockdowns erweitert. Vor zwei Wochen habe ich schon in einem Beitrag meine Sicht der Dinge dazu geschildert. Wie hilfreich sind die Angebote im Fernsehprogramm und in den Mediatheken wirklich? Das habe ich Maya Götz gefragt.

Foto Maya Götz
Die Medienwissenchaftlerin Maya Götz. (Von IZI TelevIZIon – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0)

Die Medienwissenschaftlerin ist Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen beim Bayerischen Rundfunk und hat mit  mir ihre spannenden Einsichten in die Mediennutzung von Angeboten der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender geteilt.

Für welche Kinder und Jugendliche ist das erweiterte Angebot der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender während des Lockdowns sinnvoll?
Maya Götz: Im Prinzip ist es erstmal für alle sinnvoll. Vom linearen Angebot profitieren zum einen die Grundschüler*innen und Lernenden der Sekundarstufe I. Hier sind Wissenssendungen gut eingeführt und die Kinder und Preteens kennen die Formate und Moderator*innen und wissen, dass es Spaß macht, mit Checker Tobi oder André zu lernen. Insofern ist es ein sehr sinnvolles Angebot. Denn wir dürfen nicht vergessen: Auch im zweiten Lockdown können viele Schulen gerade bei den Jüngeren im Rahmen des Distanzlernens nicht genügend Angebote auf die Beine stellen, die den ganzen Vormittag ausfüllen. Im ersten Lockdown ging – auf alle Schüler*innen bezogen – die täglich mit schulischem Lernen verbrachte Zeit um fast vier Stunden zurück. Insofern geht es bei der Bereitstellung des erweiterten Programms auch um sinnvolle altersangemessene Angebote am Vormittag, die nicht nur unterhaltungsorientiert sind.

Bei den Älteren, und wenn es um konkrete Fragen geht, wird es schon kniffeliger. Denn für den konkreten Unterricht sind die Angebote dann sinnvoll, wenn sie den ganz konkreten Lernstoff betreffen.

Unterrichtsinhalte unterscheiden sich aber sehr deutlich nach Klassen und Schularten. Insofern ist es gut, wenn alles möglichst übersichtlich in Mediatheken angeboten wird und gut über Suchmaschinen auffindbar ist. Hier sind die Wissensinfluencer*innen und kommerziellen Anbieter den öffentlich-rechtlichen Anbietern in Sachen Suchmaschinenoptimierung zurzeit etwas voraus, sodass deren Angebote schneller gefunden werden.

Gibt es tatsächlich Kinder oder Jugendliche in Deutschland, die von einem erweiterten linearen Schulfernsehen profitieren?
Die Nutzungszahlen sprechen dafür, dass sie genutzt werden. Gründe hierfür können ein fehlender bzw. zu langsamer Internetzugang oder das Fehlen eines Computers oder Tablets sein, insbesondere wenn mehrere schulpflichtige Kinder im Haushalt leben und zudem im Homeoffice gearbeitet wird. Gerade für Kinder und Preteens ist das erweiterte Angebot eine Form der Mediennutzung, die auch von Eltern gefördert wird.

Welche Voraussetzungen braucht es, damit sie auch wirklich etwas lernen?  Sich nur “berieseln” lassen ist sicherlich nicht so effizient, schätze ich?
Zunächst braucht es die Motivation, etwas lernen zu wollen. Die kann extrinsisch sein, weil die Lehrkraft den Auftrag gegeben hat, sich diesen Stoff anzueignen, oder auch intrinsisch, weil es die Heranwachsenden einfach inhaltlich interessiert. Das Entscheidende ist dann ein gut gemachtes Angebot, das am Wissen und an den Lernvoraussetzungen der Schüler*innen ansetzt, sie da abholt, wo sie gerade stehen, und den zu vermittelnden Stoff gut recherchiert und methodisch pfiffig aufbereitet.

Suchen Kinder oder Jugendliche mithilfe der öffentlich-rechtlichen Mediatheken denn gezielt nach Inhalten für die Schule, um dann mit diesen Angeboten lernen?
Auch hier zeigen die Nutzungszahlen, dass sie genutzt werden. Leider liegen bisher keine Studien vor, wer genau welche Inhalte nutzt. Insgesamt ist es aber noch zu wenig etabliert, dass Schulen in verschiedensten Bereichen die Mediatheken gezielt für ihren Unterricht nutzen.

Checker Tobi auf YouTube (Screenshot: Sarah Kröger)

Was uns in unseren Studien immer wieder begegnet, ist, dass wenn Kinder und Jugendliche eine schulisch angeregte Frage zu einem Thema haben, sie über YouTube Antworten suchen oder „googeln“. Diese Formate werden dann aber über YouTube genutzt. Viel genutzt werden hier dann die Sendungen, die themenspezifisch sind, wie etwa „Anna und die Tiere“ oder das schon erwähnte „Checker“-Format.

so geht MEDIEN, die Medienkompetenzplattform von ARD, ZDF und Deutschlandradio wird zudem von Lehrkräften gezielt eingesetzt, wenn es um Themen wie Fake News, Influencer*innen oder Musikvideos geht. Hinzu kommen Plattformen, die gezielt für Lehrkräfte und Schüler*innen eingerichtet wurden, wie z. B. in Bayern das Internetportal des Kultusministeriums „Mebis“, worüber verschiedene Sendungen direkt abrufbar sind. Es geht also nicht nur um Mediatheken, sondern darum, dass öffentlich-rechtlich finanzierte Angebote den Heranwachsenden auf möglichst vielen Wegen zur Verfügung stehen.

Welche Rolle spielen die Schulen bei der Nutzung der Angebote?
Deutschland war, und insbesondere die Lehrer*innen waren bisher sehr medienkritisch, wenn es sich nicht um das Medium Buch handelte.

In Sachen Digitalisierung hängen wir im internationalen Vergleich deutlich hinterher, selbst im Vergleich mit den deutschsprachigen Ländern Österreich und Schweiz sind wir alles andere als gut auf ein Lernen in der Digitalität vorbereitet.

Die technische Ausstattung an Schulen ist oft mangelhaft und viele Lehrer*innen haben Nachholbedarf in Sachen Medienkompetenz. Eine „Schulfernsehkultur“, wie wir sie z. B. in den nordischen Ländern haben, wo neben Schulfernsehangeboten regelmäßig gemeinsam Kindernachrichten im Unterricht geschaut werden, scheitert bei uns an der Ausstattung und nicht selten auch an der Haltung der Lehrer*innen.  Insofern wird unter Bildungswissenschaftler*innen die aktuelle Krise auch als Jahrhundertchance diskutiert, dass Lehrkräfte neue Wege beschreiten und sich mehr Medienkompetenz aneignen.


Foto Maya Götz: Von IZI TelevIZIon – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=77963509

 

 

 

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