Kindern den Krieg erklären
In den letzten Wochen wurde ich vor die Herausforderung gestellt: Wie erkläre ich meiner großen Tochter (6 Jahre) den Krieg? Sie hat viele Fragen. „Wann hört der Streit wieder auf?“, fragt sie zum Beispiel regelmäßig. „Warum müssen Leute ins Gefängnis, wenn sie demonstrieren gehen?“
„Versteht Putin nicht, dass es doof ist, was er macht? Er sieht doch, wie viele Menschen aus der Ukraine fliehen.“ Alles Fragen, die ich manchmal mehr und manchmal weniger beantworten kann. Zum Glück gibt es gute Seiten im Internet, die Eltern Tipps geben, wie sie mit ihrem Kind über den Krieg reden können, zum Beispiel folgende:
https://www.schau-hin.info/news/krieg-in-der-ukraine-kinder-mit-nachrichten-nicht-allein-lassenAuch für Kinder gibt es gute Seiten, je nach Typ und Alter. Wir waren mit unserer Tochter bei der Maus unterwegs: https://www.wdrmaus.de/extras/mausthemen/ukraine/index.php5
Und für ältere oder weniger sensible Kinder als meine Tochter beantwortet Checker Tobi viele Fragen, zum Beispiel erklärt er, was mit den Menschen passiert, die aus der Ukraine flüchten müssen:
Wichtig ist, dass ihr nur dann das Thema ansprecht, wenn eure Kinder Fragen stellen. Am besten schaut ihr euch die Erklär-Angebote vorher selbst an – so ihr könnt am besten einschätzen, ob sie zu eurem Kind passen oder nicht. Meine kleine Tochter (3 Jahre) hat keine Fragen gestellt, also habe ich auch nichts groß erzählt. Bald nehmen wir wahrscheinlich für eine kurze Zeit eine Ukrainerin für uns auf – das fand die Kleine nicht so gut. Wir haben ihr dann erklärt, dass wir helfen möchten. Sie fragt: „Können wir nicht lieber Sachen schenken?“ Ja, das können wir auch, aber eine Unterkunft ist eben auch wichtig, erklärte ich ihr. Damit war das Thema für sie vom Tisch.
Gleich als die Große vom Krieg erfuhr, malte meine große Tochter das obenstehende Bild. Es war ein Protest-Bild, ihre ganz eigene Form von Demonstration. Ein kleines bisschen wünsche ich mir von diesem einfachen Denken wieder zurück. Der soll doch einfach damit aufhören!
Liebe ohne Wenn und Aber
„Auch wenn wir uns streiten, Mama, ich habe dich lieb“, sagt letztens meine dreijährige Tochter unvermittelt zu mir. Mein Herz geht auf. Fast jeden Tag erzählt mein Mann unseren Kindern, dass wir sie lieben – egal was ist, auch wenn wir nicht einer Meinung sind. Meistens vergesse ich allerdings das „egal was ist, auch wenn wir nicht einer Meinung sind.“ Dafür streite ich mich mehr mit ihnen 😉. Es scheint auf jeden Fall bei meiner kleinen Tochter angekommen zu sein, da sie den gleichen Satz nun wiederum mir sagt. Innerlich mache ich einen Haken auf meiner virtuellen Erziehungs-To-Do-Liste: „Weiß, dass sie geliebt ist? Check!“
Gestern kommt meine Tochter wieder zu mir und sagt: „Mama, ich hab dich lieb…“ Erfreut horche ich auf. Kommt jetzt wieder so ein herzerwärmender Spruch wie letztens? Ich drehe mich zu ihr hin und höre, wie sie in liebenswürdigem, fast gnädigem zu mir Ton sagt: „…auch wenn ich dich Alte nenne.“Foto: Unsplash
Das Abenteuer beginnt
Vor ein paar Tagen an der großen Schaukel beim Kindergarten: Meine Tochter erzählt stolz, dass sie bald zur Schule geht. Ein Vater antwortet ihr mit diesem – anscheinend unvermeidlichem – Spruch: „Jetzt beginnt der Ernst des Lebens“.
Recht hat er, der Ernst des Lebens fängt nun an. Also für mich – denn ich muss die nächsten 12 Jahre um sechs Uhr morgens aufstehen. Aber davon abgesehen habe ich mich im Nachhinein geärgert. Einem hochmotivierten Kind erzählen, dass der Spaß jetzt aufhört? Vielen Dank auch. Das passiert also, wenn das „ganze Dorf“ miterzieht. Der Spruch ist blöde und ich bin mir fast sicher, der Vater hat ihn nur halbernst gemeint. Aber meine Tochter hatte aufmerksam zugehört. Am Nachmittag wiederholte sie ihn noch einmal mir gegenüber, vielleicht auch, um herauszufinden, was ich davon halte.
Was halte ich also davon? Wie bei so manchen Sprüchen steckt ein bisschen Wahrheit drin. Natürlich ändert sich jetzt einiges: Meine Tochter kann nicht mehr so viel spielen wie vorher und kann sich auch nicht aussuchen, ob sie in die Schule geht oder nicht. Aber dafür lernt sie lesen und schreiben!! Bald kann sie endlich Bücher selbst lesen und das sogar stundenlang. Sie kann Briefe an ihre erste große Liebe schreiben, Kochrezepte lesen und selbst kochen, was sie mag. Sie lernt (wie übrigens auch schon in der Kita) viel über die Natur, über Technik, macht Experimente und spielt Theater. Sie kann ausprobieren, was sie mag und was nicht. Worin sie gut ist und worin nicht. Sie entdeckt neue Welten, jeden einzelnen Tag. Ist das nicht abenteuerlich? Ja, ein großes Abenteuer beginnt. Es wird wahrscheinlich eher selten wie eine Kreuzfahrt sein und öfter mal auch wie eine Floßfahrt auf einem Wildwasserfluss. Aber wer hat schon Lust auf 12 Jahre Kreuzfahrtschiff?
Ich bin die Letzte, die nichts an Schule auszusetzen hat. Ganz oft ist sie leider kein aufregender Lernort oder nur in Teilen. Ihr Grundgedanke jedoch ist ziemlich genial. Denn das Leben entdecken, neugierig sein, Wissen sammeln, mit Gleichaltrigen in Verbindung sein, forschen, hartnäckig bleiben, Grenzen erkunden und kreativ werden – das ist doch alles das Gegenteil von Langeweile und Ernst.
Wie wäre es also, wenn wir unseren Kindern so richtig Lust auf Schule, aber vor allem auf das Lernen machen? Das kann ganz unabhängig von Noten sein. Wenn wir ihnen zeigen, dass Lernen die coolste Sache der Welt ist und sie zusätzlich auch viele Dinge lernen können, die sich nicht in Noten widerspiegeln? Ich möchte meiner Tochter vermitteln, dass Noten zwar aufschlussreich sind, weil sie zeigen, wie gut sie in einem Test abgeschnitten hat. Aber dass sie sehr wenig darüber sagen, wer sie ist und was sie kann. Denn über manche wirklich wichtigen Dinge, wie zum Beispiel emotionale Kompetenz, Partnersuche, Umgang mit Finanzen oder Kindererziehung, lernt sie sowieso nichts in der Schule. In der Regel jedenfalls.
Am Ende bleibt die Schule also ein Ort, an dem meine Tochter einiges lernen kann und auf hoffentlich nette Menschen trifft. Alles Gute und Schöne an dem System Schule sollte sie auf jeden Fall mitnehmen. Und den Rest einfach in der Schule lassen.
Königin, Bundeskanzlerin, egal: Hauptsache Chefin!
„Wenn ich groß bin, möchte ich Königin werden“, verkündet meine große Tochter letztens. Wir erklären ihr, dass sie das nur werden kann, wenn sie in eine königliche Familie reingeboren wird. Damit könnten wir leider nicht dienen – unser Stammbaum liest sich eher langweilig. Die Enttäuschung ist groß. Ich erzähle, dass wir in einer Demokratie leben, in der die Menschen sich den König oder die Königin selbst aussuchen können. Bei uns in Deutschland hieße diese Position Bundeskanzlerin. Meine Tochter ruft begeistert: „Dann werde ich Bundeskanzlerin!“ Wir erklären ihr, dass damit leider nicht viel Pomp verbunden ist. Kein großes Schloss, keine Krone, kein Glitzer. Sie denkt nach und fragt: „Kann ich dann Chefin sein und den anderen sagen, was sie tun sollen?“ „Ja, das kannst du“, antworte ich. „Dann will ich Bundeskanzlerin werden“, sagt sie entschlossen. Mein Mann fügt noch hinzu, dass unser Land bald eine neue Bundeskanzlerin oder einen neuen Bundeskanzler braucht, weil Angela Merkel nach 16 Jahren aufhören wird. Kurzes Grübeln, dann kommt die naheliegende Frage: „Kann ich die neue Bundeskanzlerin werden?“
Die müde Raupe Mama hat Corona satt – wer steckt dahinter?
Gerade wird eine ziemlich coole Geschichte über eine müde Raupe Mama, die Corona satt hat, in den sozialen Netzwerken geteilt. Leider wird die Autorin nicht genannt. Nicht fair, so von Eltern zu Eltern.
Das Buch ist wirklich lustig und treffend und die Zeichnungen sehr süß. Ich musste sehr viel lachen, als ich die Geschichte las und habe mich in einigen Aspekten auf jeden Fall wiedergefunden. Allerdings gibt es auch Dinge, die man kritisch lesen könnte: Zum Beispiel könnte man fragen, wo denn der Vater ist in dem Buch. Oder warum die deutsche Übersetzung das Narrativ der leidenden, selbstaufopfernden Mutter aufgreift, während im Original einfach nur steht, das Selbstfürsorge genauso wichtig ist, wie für andere zu sorgen.
Meine Hauptkritik ist aber eigentlich, dass in der geteilten deutschen Geschichte jemand “vergessen” hat, die Autorin zu erwähnen. Die Geschichte wird ohne Namen und Verweis auf die Urheberin geteilt. Geklaut. Das findet die Künstlerin und Illustratorin Martyna Wiśniewska-Michalak aus London, die diese Geschichte letztes Jahr entwickelt hat, sehr schade. Ich habe sie vorgestern angeschrieben und gefragt, ob sie mir erzählen kann, wie es zu der Geschichte gekommen ist. Hier ist ihre Antwort (von mir ins Deutsche übersetzt):
Wie kamst du auf die Idee, diese Zeichnungen zu machen?
“Die unglaublich müde Lockdown Mama” ist eine Parodie auf ein berühmtes Kinderbuch, „Die kleine Raupe Nimmersatt“ von Eric Carle. Das Buch ist eins der Lieblingsbücher meiner Tochter und wir haben es unzählige Male gelesen. Eines Tages, als ich mir nach einem langen Quarantäne-Tag die Zähne putzte, dachte ich, dass ich mich gut mit der Raupe auf dem Cover identifizieren kann. Ich war zu dem Zeitpunkt ständig eine sehr hungrige Mutter. Das war die erste Idee zu dem Buch. Es fertigzustellen, hat etwas mehr als einen Monat gedauert. In Anbetracht der Tatsache, dass das im Lockdown war und die ganze Zeit eine Vierjährige auf mir herum tobte, ist das eigentlich ein Wunder.Was passierte danach?
Ich postete das Buch auf meiner Facebook-Seite und teilte es mit meinen Freunden von der Schule meiner Tochter. Nach ungefähr einem Monat ging es überall im Internet viral und ich wurde von der tollen Agentin Marysia kontaktiert, die für mich einen Verlag fand.Was sagst du dazu, dass die deutsche Version gerade ohne deinen Namen in sozialen Medien rumgereicht wird?
Ich bin sehr traurig darüber, es ist sehr unhöflich die Autorin einfach rauszuschneiden!Leider konnte das Buch noch nicht veröffentlicht werden, da es sich um einen Crowdfunding-Verlag handelt – das Buch wird erst publiziert, wenn das Crowdfunding-Ziel erreicht wurde. Aktuell gibt es schon 322 Unterstützer, es fehlen aber noch 37%, damit das Buch endlich gedruckt wird. Wenn ihr die Geschichte gerne als Buch (auf englisch) lesen wollt oder verschenken möchtet, könnt ihr ihre Crowdfunding-Kampagne gerne unterstützen: https://unbound.com/books/the-very-f-cking-tired-mummy/
- Martyna freut sich auch darüber, wenn ihr ihr eine Nachricht schreibt oder einen virtuellen Kaffee ausgebt: https://ko-fi.com/martiwm
- Das englische Original könnt ihr euch übrigens auf ihrer Webseite anschauen: https://martiwm.presents.pl/
- Und wer eine eine ausführliche Reflexion über die deutschsprachige Übersetzung und ihre Problematiken lesen möchte, kann sich bei Alex von F. auf seinem Blog umschauen.