Pippi Langstrumpf stellt Fragen
Meine kleine Tochter ist zweieinhalb und ein großer Fan von Pippi Langstrumpf. Vor einiger Zeit hatten wir mit ihr zwei Folgen der alten Pippi Langstrumpf Filme zusammen geguckt und seitdem ist sie begeistert von ihr. Wochenlang spielen wir nun schon, dass ich sie jage, um sie in ein Kinderheim zu stecken. Ich bin der Polizist, sie ist Pippi Langstrumpf. Bis auf das Hausdach geht die Jagd. Dann packt sie mich irgendwann, trägt mich den Gartenweg runter und setzt mich auf der Straße wieder ab.
Die Pippi Langstrumpf Geschichten haben wir auch als Buch (in der neueren Übersetzung) und je öfter ich sie lese, desto begeisterter bin ich. Schon als Kind mochte ich sie, aber heute gefallen sie mir fast noch besser. Ich finde es super amüsant und inspirierend, mit was für einem Selbstbewusstsein Pippi Konventionen und (für uns Erwachsene) selbstverständlich gewordene Dinge hinterfragt. Gerade mit dem klassischen Schulwesen kann sie wenig anfangen. In der Geschichte „Pippi spielt Fangen mit Polizisten“ jagen zwei Polizisten Pippi durch ihren Garten, um sie mit ein Kinderheim zu nehmen. Der eine Polizist versucht Pippi auch davon zu überzeugen, dass es wichtig ist, in die Schule zu gehen. Pippi fragt ihn, warum und er erwidert, dass man in der Schule alles Mögliche lernt. Pippi hakt nach. „Was alles?“, will sie wissen. Der Polizist erklärt ihr daraufhin, wie wichtig es ist, Multiplikation zu lernen, worauf Pippi antwortet, sie wäre neun Jahre lang auch gut ohne „Plutimikation“ zurechtgekommen. Doch der Polizist lässt nicht locker. Pippi solle sich mal vorstellen, wie unangenehm es sei, wenn jemand sie fragt, wie die Hauptstadt von Portugal heißt und sie keine Antwort darauf hätte. Da antwortet Pippi: „Vielleicht würde ich manchmal abends wach liegen und fragen und fragen: Wie in aller Welt heißt die Hauptstadt von Portugal?“ Dann stellt sie sich auf die Hände und erwähnt beiläufig: „Übrigens war ich mit meinem Papa in Lissabon.“
Liegen wir nicht alle ab und zu abends wach und fragen uns, wie das nochmal mit der Polynomdivision geht? 😉
Nein, die kleine Pippi ist bisher nicht zur Schule gegangen. Anstatt die Namen europäischer Hauptstädte auswendig zu lernen, hat sie die ganze Welt bereist und ist in Lissabon durch die engen Gassen geschlendert. Dort hat sie sich auf dem Markt vielleicht ein paar frische Mangos gekauft, einige Brocken Portugiesisch gelernt und mit portugiesischen Kindern Fangen gespielt. Vielleicht hat sie einen Blick in die Basílica da Estrela werfen können oder sich irgendwo an der Straßenecke ein noch warmes Pasteis de Nata, ein portugiesisches Puddingtörtchen, geholt. Deswegen kann sie nur lachen, wenn ihr erzählt wird, sie solle in der Schule etwas über die Hauptstadt von Portugal lernen. Sie hat es schon längst gelernt, auf ihre Art und Weise.
Meine große Tochter kommt das nächste Jahr in die Schule und ich bin sehr gespannt, was uns dort erwartet. Ich hoffe sehr auf eine Schule, die Lernen neu denkt, Kinder möglichst viele eigenständige Erfahrungen machen lässt und auf Frontalunterricht weitestgehend verzichtet. Sehr optimistisch bin ich da nicht, in unserer fußläufigen Umgebung gibt es nicht viel Auswahl. Aber vielleicht erwischen wir ja die richtige Klassenlehrerin oder den richtigen Klassenlehrer. Bis zum Schulstart ist zum Glück noch etwas Zeit. Viel reisen werden wir in der Zwischenzeit aufgrund von Corona wohl auch nicht mehr können, aber in Lissabon war meine große Tochter bereits. Kann sie also schon mal abhaken.