Geschäft mit der Not
In der brand eins vom Februar (Wir sind die Guten) gibt es ein spannendes Interview mit der Schriftstellerin Emma Braslavsky. Sie werde sehr misstrauisch, wenn Menschen allzu moralisch sind, erzählt sie und erklärt ihre große Skepsis gegenüber NGOs.
Es gäbe so viele aktive NGOs auf der ganzen Welt, die Probleme würden aber nicht weniger werden. Außerdem suggerierten sie uns, dass es ok ist, wie wir leben – so lange wir ab und zu mal ein paar Euros spenden.In dem Interview gibt es viel Stoff zum Nachdenken für Menschen, die im sozialen Bereich arbeiten. Sind wir noch dabei, Menschen zu helfen oder erhalten wir das Leid der Menschen, um unsere Arbeit am Laufen zu halten? Die Autorin sagt an einer Stelle: „NGOs sind wie alle Organisationen zuallererst an der Fortsetzung ihrer eigenen Existenz interessiert, die ohne die Missstände gefährdet wäre. Neben der Tatsache, dass Japan jetzt nach 30 Jahren wieder groß angelegten Walfang betreiben will, wäre das Zweitschlimmste, was Greenpeace-Angestellten passieren könnte, eine Welt ohne Umweltprobleme.“
Ich arbeite selbst im sozialen Bereich und habe vor ein paar Jahren, zusammen mit einer Kollegin, einen Verein gegründet. Auf der einen Seite möchtest du dringend Missstände verändern, auf der anderen Seite brauchst du sie aber auch, um Spendengelder zu sammeln und Fördermittel zu beantragen – dieses Dilemma kenne ich. Zwar glaube ich nicht, dass ich in den nächsten Jahren befürchten muss, arbeitslos zu werden, weil Ungerechtigkeit und Diskriminierung vom Erdboden verschwunden sind. Egal wie sehr wir uns als Verein engagieren, es wird immer genug zu tun geben. Aber ich kann mich schon an Situationen erinnern, in denen ich eine traurige Geschichte von jemandem gehört habe, dem wir helfen konnten und dann dachte: „Wow, das könnte eine gute Story für den nächsten Newsletter werden!“
Braslavsky erinnert im Interview daran, dass jede NGO auch ein Geschäftsmodell haben muss, um zu überleben. Und das ist nun mal das Geschäft mit der Not anderer Menschen. Ich finde NGOs und noch viel mehr soziale Unternehmen grundsätzlich sehr wichtig, solange sie ethisch korrekt arbeiten und wirklich zu einer langfristigen Veränderung beitragen. Dabei sollten wir allerdings immer im Hinterkopf haben, dass wir uns eigentlich langfristig abschaffen müssten, wenn wir richtig gut sein wollen.