Berlin

Die Gartenbegehung

Bisher lief alles ganz unkompliziert mit unserem Schrebergarten. Ich hatte mich schon ein bisschen gewundert, hatte ich doch allerhand gehört von solchen Anlagen. Wo waren die Spießer? Die Leute, die mit dem Zentimetermaß im Garten standen und die Heckenhöhe nachmaßen? Mein Stereotype-Denken sollte schon bald auf seine Kosten kommen.

An einem schönen Donnerstag waren wir mit unseren Kids im Garten. Mein Mann beschloss, sich endlich des unwirtlichen Rasens anzunehmen und startete den Rasenmäher. Sofort dröhnte es in unseren Ohren vom rechten Nachbarzaun. „FEIERTAG!!!“ schrie unser Nachbar aus Leibeskräften. Es war zwar Donnerstag, aber Feiertag und feiertags darf der Kleingärtner nicht mähen. Ok, fair enough, wir hatten unsere Lektion gelernt. Der Rasen wucherte also vorerst weiter vor sich hin.

Es blieb friedlich. Wir kamen ein -bis zweimal die Woche vorbei, grüßten die Nachbarn links und manchmal auch die Nachbarn rechts. Wir lagen in der Hängematte, sahen den Kartoffeln und Bohnen beim Wachsen zu und beseitigten ab und zu mal den wuchernden Hopfen. Unsere Kinder tobten sich auf dem Trampolin und im Sandkasten aus. Doch dann nahte der Tag der „Gartenbegehung“. Einmal im Jahr geht der gesammelte Vereinsvorstand jeden Garten ab – offiziell um den Stand der Wasseruhren abzulesen. Eigentlich schauen sie aber, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Es hatte zuvor viel geregnet und das „Unkraut“ – also die Pflanzen, die der Kleingärtner nicht gern hat, die frecherweise aber trotzdem überall wachsen  – wucherte nur so bei uns.

Wir machten den klassischen Anfängerfehler und kamen erst kurz vor der Begehung in den Garten, anstatt zwei Stunden vorher schon mal das Gröbste zu beseitigen. Nichts Gutes ahnend, fragte ich meinen Mann, ob er das Gespräch nicht übernehmen möchte. Ich hatte Angst hatte, pampig zu werden, da ich keine Freundin des großen Regelwerks bin. Doch als der Trupp in unseren Garten einmarschierte, steuerte der Vereinsvorsitzende gezielt auf mich zu. Er stellte einige kritische Fragen und zog dann sein Gesamt-Resümee: „Ein bisschen mehr kleingärtnerische Nutzung würde ich mir wünschen, hier ist es ja noch sehr ungepflegt.“  Ich versuchte zu erklären, dass wir schon wüssten, dass hier viel Unkraut wächst, aber wir wären gerade umgezogen und mit zwei kleinen Kindern wäre es auch nicht so leicht, ständig was im Garten zu machen. Sichtlich erschüttert, dass ich nicht einfach stumm vor Scham im Boden versinke, sagte der Vorsitzende: „Was ich sage, nehmen Sie bitteschön so an, da brauchen Sie überhaupt nichts zu erklären!“ Ich erwiderte, er hätte mir etwas erklärt und ich hätte darauf geantwortet, das wäre doch okay, oder? Mürrisch brummelte er noch etwas in seinen Bart und wendete sich dann an meinen Mann – der deutlich angenehmere Gesprächspartner. Die nächsten Gartenbegehungen übernimmt besser mein Mann. Er hat als Unternehmensberater diese verbindliche und trotzdem nichtssagende Art der Kommunikation viel besser drauf als ich.

 

 

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