Journalismus

Vom Märchen der Chancengleichheit

Das passiert, wenn du eine große Behörde zum Thema Diversity im Bewerbungsprozess befragst und die Antworten der Befragten vorher nochmal eine Runde durch die Pressestelle drehen.

Ich schrieb letztens an einem Artikel zu der Frage, inwieweit die soziale Herkunft im Job eine Rolle spielt. Denn das tut sie leider! 59% der befragten Führungskräfte und Personalverantwortlichen gaben bei der Studie Diversity Trends von 2020 an, Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft im Arbeitsleben beobachtet oder erfahren zu haben.

Eine andere Studie fand heraus, dass Bewerber*innen mit elitären Hobbys wie Segeln oder Polo viel öfter zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurden, als Bewerber*innen mit Hobbys wie Fußballspielen oder Countrymusik. Der richtige „Stallgeruch“ spielt trotz objektiver Kriterien im Bewerbungsprozess immer noch eine Rolle.


Was sagen Behörden zum Thema Diversity?
Nun wollte ich wissen, wie das Thema bei einer großen deutschen Behörde angegangen wird. Denn die haben doch bestimmt Erfahrung und können uns daran teilhaben lassen? Welche Fehler haben sie in der Vergangenheit gemacht, aus denen wir lernen können und wie stellen sie eine möglichst objektive Auswahl der Bewerber*innen sicher? Die Antworten, die ich erhielt, waren so formell und gleichzeitig nichtssagend, dass es mich ganz schön wütend gemacht hat. Ich fasse sie hier für euch (stark verkürzt) zusammen:

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Wie stellen Sie sicher, dass in Ihrem Arbeitsbereich die soziale Herkunft beim Bewerbungsprozess keine Rolle spielt?
Behörde: Jede Bewerbung bei uns wird nach objektiven Kriterien beurteilt. Die soziale Herkunft spielt somit im Bewerbungsprozess bei uns keine Rolle. Außerdem fragen wir die soziale Herkunft gar nicht ab. Sie ist also von keinerlei Bedeutung im Auswahlverfahren.

Ist dieser Anspruch leicht in die Praxis umzusetzen?
Behörde: Bei der Auswahl dürfen grundsätzlich weder Geschlecht, Abstammung, ethnische Herkunft, Behinderung, Religion, politische Anschauungen, Herkunft noch Beziehungen oder sexuelle Identität als Kriterien für die Entscheidung herangezogen werden

Können Sie (erste) Erfolge sehen?
Behörde: Diese Frage impliziert, dass wir notwendige Veränderungen hätten umsetzen müssen. Das war aber nicht nötig.

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Wenn du jetzt das Gefühl hast, du hast mehr Fragen als vorher, bist du bestimmt nicht allein!
Für echte Antworten zur praktischen Umsetzung und wertvolle Infos zum Thema soziale Herkunft als Vielfaltsdimension,  empfehle ich euch die Seite des Charta der Vielfalt e.V., die sich das Thema auf die Fahne geschrieben haben.

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