Familie,  neugierig auf

Warum fällt es uns schwer, uns Gutes zu tun?

Mittlerweile ist es schon Mitte Februar. Das Jahr – ach  da ganze Jahrzehnt – ist trotzdem noch immer relativ frisch und unverbraucht. Meistens überlege ich mir zu Beginn des Jahres, was ich davon erwarte. Ganz oft haben diese Überlegungen etwas mit Zeit für die wirklich wichtigen Dinge zu tun.

Zeit, um zwischendurch regelmäßig Yoga zu machen, mal durchzuatmen, was Leckeres zu kochen oder spazieren zu gehen. Trotzdem merke ich immer wieder, wie all diese guten Vorsätze gaanz laangsam dahinschmelzen. Ich stehe nicht morgens auf und sage: „Ab heute werde ich mich wieder weniger bewegen“ oder: „Jetzt ist mal Schluss mit der gesunden Ernährung, ich brauche mehr Fertig-Gerichte!“ Es ist mehr so wie bei einem dieser Pailletten-Shirts, die gerade bei den Kindern beliebt sind: Ab und zu gehen mal ein oder zwei Pailletten im Gerangel verloren. Nicht schlimm weiter. Aber nach einiger Zeit, sieht das Shirt ramponiert aus.

Doch warum fällt es uns oft schwer, uns selbst etwas Gutes zu tun? Das habe ich Romy Möller gefragt, die Coach und Pädagogin ist. Sie antwortete auf meine Frage netterweise mit einem ausführlichen Blogbeitrag (leider nicht mehr auf ihrer Webseite) und schreibt unter anderem: „In all der Hektik des Alltags finden wir meist gar nicht die Zeit, kurz innezuhalten und zu schauen, was wir eigentlich gerade brauchen. Wir erkennen unsere Bedürfnisse gar nicht – aber ist nicht das der erste Schritt, um uns überhaupt was Gutes tun zu können?“

Gestern Abend, zum Beispiel, waren meine beiden Kids schon ziemlich müde. Ich übrigens auch. Wir hörten Kinderlieder. Die Große wollte zum 150. Mal in Folge das „Bibi und Tina“- Lied hören. Die Kleine, die seit kurzem immer mehr spricht, rief lautstark: „Nein Bibi und Tina, nein!“ und verlangte etwas unverständlich nach „Susesche“. Nach einigen Anläufen konnte ich das als „Eins, zwei, drei im Sauseschritt“ decodieren. Keine konnte sich darauf einlassen, ihr Lied erst als zweites zu hören und so standen sie beide vor mir, die Kleine lautstark brüllend, die Große weinend und schluchzend. In diesem Moment hätte ich wahrscheinlich tief durchatmen und kurz überlegen sollen: Was brauche ich, was brauchen die Kinder? Stattdessen machte ich einfach die Musik aus und sagte: „Wenn ihr euch nicht einigen könnt, dann hören wir erstmal keine Musik.“ Das war der Anlass für beide, noch lauter zu schreien. Irgendwie kam ich aus dieser Situation dann wieder raus und fand mich wild tanzend mit der Kleinen auf dem Arm wieder, das „Bibi und Tina Lied“ auf Endlos-Schleife gestellt. Noch mal Glück gehabt. Wahrscheinlich hatte ich an diesem Tag nicht genug auf mich und meine Bedürfnisse geachtet. Denn mittlerweile weiß ich, dass meine Verfassung 1:1 von den Kindern widergespiegelt wird. Es waren nicht nur die Kinder müde und schlecht gelaunt, sondern mit ziemlicher Sicherheit auch ich. Das hatte ich gar nicht gemerkt.

In ihrem Beitrag verwendet Romy das schöne Bild der Selbstfürsorge als „Isolierband“: Wir brauchen es, damit das Wasserrohr nicht anfängt zu tropfen. Immer wieder sollen wir uns Gutes tun. Der Gedanke daran erscheint mir oft so spannend wie graues Isolierband. Jetzt den Computer zuklappen, um mir was zu essen zu kochen? Das Smartphone ausmachen und ein Buch in die Hand nehmen? Mich abends nochmal aufraffen und Rückenübungen machen? Doch Isolierband gibt es auch in bunten Farben. Ich kann meine kleinen Routinen, die mir im Alltag gut tun, gestalten und sie sogar richtig zelebrieren. Zum Beispiel, indem ich ein Buch in die Hand nehme, mich in eine kuschelige Decke wickele und dabei eine Tasse Tee genieße. Oder während der Rückenübungen einen spannenden Podcast höre.

Eins ist jedoch klar: Ich muss mir die Zeit dafür nehmen. Nur so können Freiräume für das Gute überhaupt entstehen. Wenn ich nun aber (wie viele Eltern die ich kenne) meine Kinder nach einem vollen Kita-Tag noch zum Ballett, zur Musikschule und zum Kinderturnen fahre, dann schrumpfen diese Freiräume. Selbst wenn es für meine Kinder der reinste Spaß wäre, ist es das auch für mich?
„Unsere eigenen Erwartungen an uns selbst und von anderen können ganz schöne Saboteure sein, wenn es um die Selbstfürsorge geht. Sie hindern uns daran, für uns eine Grenze zu ziehen und damit die eigene Balance zu finden“, schreibt Romy in ihrem Beitrag. Ich für meinen Teil habe beschlossen, die nachmittäglichen Aktivitäten mit meinen Kindern auf ein Minimum zu reduzieren. So werden sie aktuell nicht noch extra musikalisch gefördert. Das finde ich wirklich schade. Obwohl – ganz stimmt das nicht: Das „Bibi und Tina“- Lied können wir jetzt fast auswendig mitsingen. Die musikalische Früherziehung ist somit schon mal gesichert.

 

 

 

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