Frühling
In Zeiten wie diesen schwanke ich zwischen leichter Panik, Zweifeln, wann wieder ein normaler Alltag sein wird und dem Gefühl, das eigentlich alles noch sehr normal ist.
Uns geht es gut, wir sind nicht krank, wir können alles kaufen was wir wollen, arbeiten, mit den Kindern spielen etc. Nur halt unter etwas erschwerten Bedingungen. Wichtig ist mir momentan, wieder einen neuen Rhythmus zu finden, um den Alltag ohne Kita zu organisieren. Ich achte darauf, dass ich mich ausreichend bewege, gut gelaunt bleibe und den Kontakt zu den Freunden dann eben telefonisch halte.
Was mir gerade richtig gut tut, ist unser Schrebergarten. Dort kann ich mit den Kindern ungestört ein paar Stunden verbringen und zudem beobachten, wie der Frühling alles zum Blühen bringt. Das ist eine hervorragende Ablenkung und auch sehr sinnvoll: Meine Kinder sind draußen in der Natur, lernen, wie man Gemüse ansät, helfen mit und sind herausgefordert. Später im Sommer werden wir uns dann über die leckeren Ergebnisse freuen! Gestern haben wir einen Birnbaum gepflanzt, auf den ich mich schon seit einigen Wochen freue. Wir hatten ihn bei einer Baumschule in Brandenburg bestellt, die alte Obstsorten verkauft. Nun steht eine Gellerts Butterbirne bei uns im Garten und ich bin gespannt, wann sie die ersten Früchte trägt.
Ich möchte euch ermutigen, auch in Dinge zu investieren, die später einmal Frucht tragen werden. Nutzt Leerzeiten, die ihr jetzt vielleicht habt und werdet produktiv! Schreibt an Konzepten, räumt auf, bringt neue Projekte ins Rollen oder verbringt viel Zeit mit euren Kindern. Lest Bücher und Zeitschriften, werdet kreativ, handwerklich und besucht Online-Konzerte! Es gibt noch viel zu tun.
Hinweis für Hauptstadt-Gestresste
Bist du besonders?
Das „schlimmste Kinderbuch“ aller Zeiten ist nach Lisa Eckhart der “Regenbogenfisch”.
Meine Kinder haben das Buch nicht, kennen es aber aus der Kita. Die Geschichte ist wirklich süß, ein Glitzerfisch schenkt den Fischen ohne Glitzerschuppen seine, bis er selbst nur noch eine hat. Dafür ist er nun nicht mehr alleine, sondern glücklich, weil er viele neue Freunde hat. Eigentlich eine schöne Geschichte über das Teilen.
Sie lässt sich aber auch anders lesen: „Und der Regenbogenfisch reißt sich seine bunten Schuppen aus … bis alle ein bunt-konformer Kotzstrahl sind… Besonders zu sein, ist heute nur dann gestattet, wenn alle gleich besonders sind.“ So skizziert Lisa die Geschichte auf ihre lustige und bös-sarkastische Art und Weise. Die Bezeichnung „bunt-konformer Kotzstrahl“ gefällt mir schon mal sehr gut. Ich werde sie in meinen Wortschatz aufnehmen und bei passender Gelegenheit fallen lassen (ok, vielleicht nicht auf dem Spielplatz).
Davon abgesehen wirft Lisas Stück Fragen auf: Wie individuell ist unser Individualismus heutzutage wirklich? Wenn jeder besonders ist, sein darf und eigentlich auch sein muss – ist das dann nicht schon wieder Gleichmacherei und Gruppenzwang? Denn ich sehe weniger das Problem darin, dass die Besonderen in unserer Gesellschaft nicht besonders sein dürfen – das ist definitiv einfacher als vor ein paar Jahrzehnten. Ich habe eher das Gefühl, dass wir alle unbedingt besonders sein müssen. Zumindest in Berlin bekommt frau schnell den Eindruck, dass es nicht reicht, einfach irgendwas zu arbeiten, es muss schon echt kompliziert und irgendwie genial sein. Darf ich überhaupt noch einen stinknormalen Job haben, ohne mich im Gespräch dafür entschuldigen zu müssen? Darf ich keine Karriere-Ambitionen haben? Und was ist mit langweiligen Hobbies oder einem nullachtfünfzehn Leben? Ich bin ja selbst ein Kind des Zeitgeists und trinke z.B. ungern „stinknormalen Filterkaffee“, es muss schon der richtige Latte macchiato mit dem richtigen Milchschaum aus einem der wenigen richtigen Cafés sein. Auch kann ich nicht einfach in ein Möbelhaus gehen und eine Lampe aussuchen, sondern benötige stundenlange Online-Recherchen, um irgendwann zu einem passablen Kauf-Ergebnis zu kommen.Das bezieht sich vor allem auf die Dinge, die ich konsumiere. Für meinen Alltag und in meinem Job hätte ich gerne ein bisschen weniger Erwartungsdruck in Sachen Besonderheit. Ohne Fünf-Jahres-Karriere-Plan, ohne Verkaufsstrategie mit ausgearbeitetem unique selling point. Ohne ausgefallene Hobbies, weder für mich noch für meine Kinder. Ich will einfach schreiben und Spaß daran haben. Nach der Kita möchte ich mit meinen Kids nicht zum Ballett, nicht zum Fußball und auch nicht zur Musikschule. Sondern rumgammeln. Das besonders sein verschiebe ich auf später. Vielleicht habe ich irgendwann mehr Energie dafür.
>> Für alle, die sich den tollen Beitrag von Lisa Eckhart anschauen möchten, hier der Link.
Foto: Unsplash
Die Gartenbegehung
Bisher lief alles ganz unkompliziert mit unserem Schrebergarten. Ich hatte mich schon ein bisschen gewundert, hatte ich doch allerhand gehört von solchen Anlagen. Wo waren die Spießer? Die Leute, die mit dem Zentimetermaß im Garten standen und die Heckenhöhe nachmaßen? Mein Stereotype-Denken sollte schon bald auf seine Kosten kommen.
An einem schönen Donnerstag waren wir mit unseren Kids im Garten. Mein Mann beschloss, sich endlich des unwirtlichen Rasens anzunehmen und startete den Rasenmäher. Sofort dröhnte es in unseren Ohren vom rechten Nachbarzaun. „FEIERTAG!!!“ schrie unser Nachbar aus Leibeskräften. Es war zwar Donnerstag, aber Feiertag und feiertags darf der Kleingärtner nicht mähen. Ok, fair enough, wir hatten unsere Lektion gelernt. Der Rasen wucherte also vorerst weiter vor sich hin.
Es blieb friedlich. Wir kamen ein -bis zweimal die Woche vorbei, grüßten die Nachbarn links und manchmal auch die Nachbarn rechts. Wir lagen in der Hängematte, sahen den Kartoffeln und Bohnen beim Wachsen zu und beseitigten ab und zu mal den wuchernden Hopfen. Unsere Kinder tobten sich auf dem Trampolin und im Sandkasten aus. Doch dann nahte der Tag der „Gartenbegehung“. Einmal im Jahr geht der gesammelte Vereinsvorstand jeden Garten ab – offiziell um den Stand der Wasseruhren abzulesen. Eigentlich schauen sie aber, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Es hatte zuvor viel geregnet und das „Unkraut“ – also die Pflanzen, die der Kleingärtner nicht gern hat, die frecherweise aber trotzdem überall wachsen – wucherte nur so bei uns.
Wir machten den klassischen Anfängerfehler und kamen erst kurz vor der Begehung in den Garten, anstatt zwei Stunden vorher schon mal das Gröbste zu beseitigen. Nichts Gutes ahnend, fragte ich meinen Mann, ob er das Gespräch nicht übernehmen möchte. Ich hatte Angst hatte, pampig zu werden, da ich keine Freundin des großen Regelwerks bin. Doch als der Trupp in unseren Garten einmarschierte, steuerte der Vereinsvorsitzende gezielt auf mich zu. Er stellte einige kritische Fragen und zog dann sein Gesamt-Resümee: „Ein bisschen mehr kleingärtnerische Nutzung würde ich mir wünschen, hier ist es ja noch sehr ungepflegt.“ Ich versuchte zu erklären, dass wir schon wüssten, dass hier viel Unkraut wächst, aber wir wären gerade umgezogen und mit zwei kleinen Kindern wäre es auch nicht so leicht, ständig was im Garten zu machen. Sichtlich erschüttert, dass ich nicht einfach stumm vor Scham im Boden versinke, sagte der Vorsitzende: „Was ich sage, nehmen Sie bitteschön so an, da brauchen Sie überhaupt nichts zu erklären!“ Ich erwiderte, er hätte mir etwas erklärt und ich hätte darauf geantwortet, das wäre doch okay, oder? Mürrisch brummelte er noch etwas in seinen Bart und wendete sich dann an meinen Mann – der deutlich angenehmere Gesprächspartner. Die nächsten Gartenbegehungen übernimmt besser mein Mann. Er hat als Unternehmensberater diese verbindliche und trotzdem nichtssagende Art der Kommunikation viel besser drauf als ich.
Der Kleingarten (Teil 2)
In meinem letzten Post zum Thema Kleingarten war das Beitragsfoto ziemlich trist. Genauso trist, wie wir ihn kennen gelernt hatten, unseren Schrebergarten. Jetzt, Mitte Mai, ist wie durch Zauberhand ein kleines Paradies daraus geworden. Einfach nur, weil es mittlerweile gefühlter Sommer ist.
Gut, wir haben auch einiges getan. Zum Beispiel haben wir die drei größten Feinde unseres Gartens (Hopfen, Efeu und Brombeeren, kurz HEB) immer wieder daran gehindert, alles andere Leben durch gigantisches Wurzelwerk und Wucherei zu ersticken. Wir haben einiges umgegraben (also mit „wir“ meine ich den Ehemann), versucht das Chaos in der Hütte zu beseitigen, Sitzgelegenheiten und Kühlschrank besorgt und natürlich gesät und gegossen. So langsam kann er sich sehen lassen, unserer Kleingarten. Mittlerweile ist es auch nicht mehr so, dass jeder Besuch ein Arbeitseinsatz ist. Ich sitze auch manchmal einfach nur da und lausche dem Vogelgezwitscher. Gestern fand hier eine wilde Kindergeburtstagsparty statt. Inklusive Schokokuss-Wettessen und Seifenblasenmaschine.
Fazit: Wir kommen an im Schrebergarten. Und so schlimm, wie wir immer gewarnt wurden, ist es gar nicht. Bisher ist noch keiner mit dem Zentimetermaß vorbeigekommen und hat die Heckenhöhe nachgemessen. Die Nachbarn sind alle freundlich. Eine Abmahnung haben wir allerdings trotzdem schon kassiert. Wir waren beim alljährlichen Wasseranstellen nicht vor Ort. Unentschuldigt. Das kostet laut Satzung 15€. Na gut.